Enduro Schottland - Teil 2 - Torridon
  
Anne / 19. Jul 2016 Schottland , Mountainbike , Reisebericht

Noch in Laggan verbringen wir die Nacht auf einem kleinen Zeltplatz in der Nähe des Trailcenters.
Nach dem Frühstück muss irgendwie alles wieder im Auto verstaut werden. Dabei stellen wir fest, dass sich unser selbst-aufbauendes Zelt leider nicht von selbst wieder abbaut. Das „Zusammenfalten“ kostet uns einige Nerven. Versucht mal, eine Stahlfeder zu falten und in eine Einkaufstüte zu sperren. Zu Dritt und mit dem Studium der Anleitung gelingt es uns dann aber doch irgendwie.

Auf der Fahrt nach Torridon kommen wir kurz am Loch Ness vorbei, welches wir aber großzügig ignorieren. Unsere englischen Freunde versichern uns, dass wir hier nichts verpassen. Die Straßen werden immer enger, die Abstände zwischen den Dörfern immer größer. Am Horizont können wir einige der höchsten Berge Schottlands sehen, wie z.B. den Beinn Alligin mit 986 Metern.

Torridon liegt am nördlichen Ufer von Loch Torridon. Bekannt ist der Ort eher für seine Wander- und Klettermöglichkeiten. Mit seinen etwa 200 Einwohnern ist das Dorf eher übersichtlich. Neben einem General Store, der auch gleichzeitig das einzige Café ist, gibt es noch eine Jugendherberge und einen kostenlosen Zeltplatz. Dort schlagen wir unser “Base Camp” für die nächsten Tage auf. Wer komfortabler wohnen möchte, kann sich im Torridon Hotel einquartieren, welches etwa 3 km entfernt liegt. Nach der obligatorischen Erkundung des Ortes und einem Spaziergang am Meer testen wir den original schottischen Karrotten-Kuchen - sehr lecker. Wir beschließen, den 17-Uhr-Tee mit Carrot Cake für die nächsten Tage zum Ritual werden zu lassen.

In der Umgebung von Torridon gibt es 4 „ausgeschriebene“ Mountainbike Touren, alles überwiegend Singletrails. Alle Trails sind als „technisch anspruchsvoll“ eingestuft. Was das bedeutet, wird uns nach der ersten Tour klar.
Als erste Tour wählen wir die mit 22 km und 600 hm kürzeste Variante. Diese führt am See Loch Damph vorbei, hinauf zum Beinn Damh und Beinn na h-Eaglaise. Die Fahrzeit ist mit 4 Stunden angegeben, was uns etwas verwunderte. In den Alpen würde man für so eine Strecke ca. 1,5 – 2 Stunden benötigen.

Nach dem Frühstück geht es bei Sonnenschein und angenehmen 18°C los. Über die Straße, die am Loch Torridon entlang läuft, erreichen wir nach ca. 20 Minuten den Abzweig Richtung Loch Damph. Anfangs führt eine Forststraße am See entlang, doch schon nach kurzer Zeit wird diese zum Singletrail.
Dank des typischen schottischen Regens und der Nähe zum See sind die nächsten Kilometer eine Mischung aus Schlamm und Pfützen. Oftmals erkennen wir den Unterschied zwischen Trail und Bachbett nicht mehr so genau. Mit etwas Geschwindigkeit und Balance läßt sich die Strecke aber besser bewältigen als gedacht. Nur Stehenbleiben darf man nicht und schon gar nicht zu tief in einer der vielen Pfützen mit dem Vorderrad eintauchen. Zwei von uns nehmen dabei ein unfreiwilliges Schlammbad.
Am Ende des Sees finden wir einen Sandstrand wie aus dem Bilderbuch. Bestens geeignet, um uns und die Räder ein wenig vom Schlamm zu befreien.
Die Szenerie scheint einem Rosamunde Pilcher Film zu entstammen...
Im glasklaren See spiegeln sich die umliegenden Berge, die Sonne strahlt vom (fast) wolkenlosen Himmel, am Horizont sehen wir den weiteren Verlauf unseres Trails - was will man mehr.

Der folgende Abschnitt verläuft immer leicht bergauf auf der Südseite des Beinn Damh. Technische Passagen wechseln sich mit einfachen Abschnitten ab. An einigen Stellen kommen wir aber nur mit Schieben weiter. Nach gut 3 Stunden erreichen wir den höchsten Punkt der Strecke, ein kleiner See zwischen den Bergen

Beinn Damh und Beinn na h-Eaglaise. Leider sind inzwischen schwarze Regenwolken aufgezogen, so dass wir uns gleich auf den Weg nach unten machen. Der Trail führt über unterschiedliches Gelände bergab. Felsplatten und loses Geröll wechseln sich ab. Einige technischen Abschnitte fordern etwas Geschick, ansonsten kann man den Trail einfach nur genießen. Nach einem etwas steileren Stück mit losem Geröll (erinnert uns an den Gardasee), müssen wir einen kleinen Fluss überqueren, der ganz idyllisch in einem Wasserfall mündet. Im Winter kann man hier hervorragend Eisklettern. Noch ein paar Meter durch den Wald , dann sind wir wieder am Ausgangspunkt angelangt. Die 4 Stunden waren nicht zu knapp bemessen. Mit unseren vielen Fotopausen haben wir locker eine Tagestour daraus gemacht.

Da unsere Räder etwas Pflege benötigten, geht es zurück zum Zeltplatz. Allerdings nicht ohne den 17 Uhr Tee!

Der zweite Tag führt uns Richtung Norden zum Lower Diabaig. Auf der Karte hatten wir einen „gut aussehenden“ Trail entlang der Küste entdeckt, den wir testen wollen. Doch schon die ersten Meter erweisen sich als nicht fahrbar. Wir versuchen es trotzdem und schieben, heben und tragen unsere Räder durch die Geröllwüste. Der Weg wird aber trotzdem nicht besser, sondern eher noch schlimmer.

Jetzt wissen wir, warum wir diesen Trail auf keiner Internet-Seite finden konnten...
Also, alles wieder zurück. Etwas frustriert fahren wir dann auf Asphalt Richtung Diabaig. Leider hört dort die Straße irgendwann einfach auf. Die Aussicht hinunter auf Loch Torridon kann uns jetzt nicht so richtig trösten, vielleicht liegt es auch an den dichten Regenwolken, die über uns hinweg ziehen.
Schnell noch ein Foto gemacht und zurück Richtung Zeltplatz.
Unterwegs suchen wir nach einer Alternative für diesen Tag, denn das konnte es ja nicht gewesen sein.

Ein Hinweisschild an einem Parkplatz zeigt uns die Lösung – wir testen den Trail zum Coire MhicNobaill. Der Wanderweg ist mit 23 km ausgeschrieben – von Bike-Route ist keine Rede. Wir versuchen es trotzdem! Ans Umkehren sind wir ja schon gewöhnt.
Die ersten 5 km sind leicht zu fahren und der Ausblick fantastisch. Auf der rechten Seite liegt der Beinn Alligin und die Bergkette links von uns erhebt sich auf über 1000 Meter. In dieser gewaltigen Natur sind wir ganz allein unterwegs. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass der Weg bald nicht mehr fahrbar sein wird, auch nicht für fortgeschrittene Fahrer. Für ca. 3 km müssen wir das Fahrrad mal wieder schieben und tragen. Oft können wir die Räder nur mit vereinten Kräften die Felsplatten hinauf heben. Es fällt uns etwas schwer, die Motivation nicht zu verlieren – bei Steve Peat sah es doch so schön flowig aus! Auch die Energy-Riegel helfen in diesem Stimmungstief nicht weiter. Nur die Aussicht auf einen netten Downhill hält uns in Bewegung (und die schwarzen Wolken am Himmel).

Irgendwann erreichen wir den höchsten Punkt, 400 hm können ganz schön lang werden... Vor uns liegt nun aber die Belohnung, denken wir zumindest.

Anfangs ist die Strecke tatsächlich richtig flowig, aber irgendwann wird es doch wieder sehr technisch. Geröll, Stufen und... Entwässerungsrinnen, wer auch immer die dort hin gebaut hat und für was auch immer, ich weiß es nicht. Aber sie nerven!
Viele dieser Rinnen kann man überfahren bzw. überhüpfen. Einige sind aber so groß, dass man die Abfahrt unterbrechen muss, dafür fehlt uns noch die richtige Technik. Im Tal angekommen, rollen wir gemütlich auf der Straße zurück nach Torridon.

Leider muss der 17 Uhr Tee heute ausfallen, denn es ist schon nach 19 Uhr. Die 40 km und 1200 hm haben ihre Spuren hinterlassen, und wir beschließen, dem einzigen Pub in Torridon einen Besuch abzustatten.

Am nächsten Tag wartet die Königstour auf uns - der Torridon Circuit mit 45 km und 800 hm. Er führt vorbei an Loch Clair und folgt einer Forststrasse Richtung Loch Coullin. Weiter gehts zum Coullin Pass und mit dem ersten Downhill hinunter nach Achnashellach. Wir sind jetzt auf der anderen Seite des Beinn Liath Mhòr. In Achnashellach gönnen wir uns eine Pause an der Bahnstation und genießen die Aussicht auf die Highlands. Zwischendurch haben wir Zeit, die Aussprache der schottischen Namen zu üben...

Auf der Straße geht es weiter nach Coulags. Bis jetzt war auf Forststrassen und Asphalt alles recht einfach zu fahren. Damit ist es jetzt vorbei. Wir folgen dem Single Trail hinauf zum Loch Coire Fionnaraich. Der Trail ist durch die vielen losen Steine nur schwer zu fahren. Noch ein paar Meter weiter oben ist an Fahren nicht mehr zu denken. 140 Höhenmeter müssen jetzt mit dem Bike auf dem Rücken zurückgelegt werden. Nach einer kurzem Stärkung und Atempause können wir die letzten Meter bis zur Spitze von Bealach na Lice mit dem Bike zurücklegen. Jeder ist nun gespannt auf die Abfahrt hinunter nach Annat. Ein „Natural“ Single Trail mit relativ griffigen Untergrund liegt vor uns. Einige Felsen und Steine gilt es zu umfahren. Der Trail hat seine technischen Stellen, ist aber recht flowig und bietet viel Spaß, wie man an unseren Gesichtern sehen kann. Geschafft, aber glücklich kommen wir nach 7 Stunden wieder im Base Camp an. Ein feiner Abschluss für Torridon mit diesem epischen Trail. Sicherlich einer der Besten in dieser Gegend. Hier passt alles, wenn man bereit ist, sein Bike auch mal ein Stück zu tragen.

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