3 Länder, 3 Gipfel, 3 Wochen - Türkei (Teil 2)
  
Chris / 17. Jul 2016 Türkei , Bergsteigen , Ararat , Reisebericht

Teil 2: Türkei

03.08.
Heute geht es nach Dogubeyazit in der Türkei, dem Ort am Fuße des Ararat. Die letzte Nacht konnte ich nicht schlafen. Wolfgang und ich hatten ein großes Zimmer mit einem Doppelbett und einem einzelnen Bett erwischt. Für mich war die Sache klar, für Wolfgang aber nicht. Er beschloss, das Einzelbett als Schrankersatz zu nutzen, und zusammen mit mir im Doppelbett zu schlafen. Ehe ich die Folgen abschätzen konnte, sagte ich ja. In der Nacht brauchte Wolfgang das Doppelbett für sich alleine. Ich rückte an die Bettkante und versuchte, noch etwas von unserer gemeinsamen Bettdecke zu retten, das gelang mir aber nicht. Mit Grauen dachte ich schon an die Nächte im Zelt, es muss eine andere Lösung her.

Die Fahrt in die Türkei geht nicht durch Armenien, was eigentlich kürzer ist, sondern einmal um Armenien herum. Kurz vor der Grenze in die Türkei halten wir noch in einem kleinen Ort mit einem Markt, um unser restliches georgisches Geld unter die Leute zu bringen. Ich habe gut gewirtschaftet und habe bereits keines mehr. Der Markt ist genau so, wie man es sich vorstellt – es wird Benzin aus Plastikflaschen verkauft, in einen antiken Bus steigen Leute ein und aus, es gibt Obst, Gemüse, Gewürze und einen Laden mit Särgen – eben alles was man so braucht. Wir kaufen etwas Obst und fahren weiter.

Die Ausreise aus Georgien geht schnell und schon stehen wir in einer Art Baubaracke, die den türkischen Beamten als Grenzposten dient. Wir warten geduldig bis der streng blickende und wortkarge Beamte einen nach dem anderen abfertigt. Unsere lebhafte Unterhaltung, mit der wir uns die Zeit vertreiben, wird barsch durch den Beamten unterbunden. Wenn er nicht redet, dürfen wir auch nicht! Froh, unseren Stempel erhalten zu haben, schleppen wir unser gesamtes Gepäck über das Gelände zum nächsten Posten, hinter dem unser neuer Bus mit dem türkischen Guide wartet. Nur so einfach ist das nicht, unser Gepäck hat keinen Stempel und muss erst noch durchleuchtet werden. Also - jetzt schon etwas genervt mit dem ganzen Gepäck wieder über das Gelände zurück zu einer anderen Baracke. Durch eine vollkommen verstaubte und dreckige Glastür ist das typische Gepäck-Röntgen Gerät wie am Flughafen zu sehen. Es macht nur nicht den Eindruck, dass es noch funktioniert oder jemals funktioniert hat. Es heißt erst mal warten, denn weit und breit ist kein Beamter zu sehen. Unser neuer Guide nimmt uns die Pässe ab und verschwindet. Nach einer Weile kommt er wieder und erklärt, das Gepäck wäre jetzt kontrolliert und wir könnten gehen. Scheinbar brauchen die Beamten in der Türkei das Röntgen Gerät nicht, sondern können das von der Ferne mit ihren streng blickenden Augen. Mir Recht, Hauptsache wir sind über die Grenze. 
Weiter geht es über die Hochebene unserem Ziel entgegen. Unterwegs köpfen wir dann noch unsere georgische Gemeinschafts-Melone, die ich die ganze Zeit über bewacht und über die Grenze geschmuggelt habe.

Irgendwann am Nachmittag gibt es auch Mittagessen. In einem türkischen Restaurant finden wir nach einiger Zeit einen Tisch, der nicht nach Klo stinkt. Es gibt wieder die übliche Diskussion, was essen und trinken, aber dank unserer türkisch stämmigen Dilek ist das kein größeres Problem. Das Essen kommt und schmeckt und Matthias ordert die Rechnung für alle. Und schon geht es los. Lautes türkisches Gerede und Diskutiere. Die Rechnung ist zu hoch und ein Türke haut nun mal eine Türkin nicht übers Ohr. Gut, dass wir alle in Urlaubsstimmung sind. Nach einer endlosen Diskussion, zu der sich immer mehr Türken gesellen, einigt man sich auf einen etwas höheren Betrag und wir verschwinden schnell aus dem Restaurant. Dilek ist noch für mehrere Stunden aufgebracht und wütend.

Es wird bereits dunkel, als wir im Hotel ankommen. Vom Hotel hat man tatsächlich einen direkten Blick auf den Ararat, so wie im Reiseprospekt beschrieben. Dafür liegt es einige Kilometer außerhalb der Stadt, man kann halt nicht alles haben.
Das Doppelzimmer hatt „nur“ zwei Einzelbetten, was eine ruhige Nacht verspricht. Nur ist mein Problem mit dem Doppelzelt und Wolfgang noch nicht gelöst, die letzte Nacht habe ich noch nicht verdrängt. Die Lösung ist „pure“ Mathematik. 11 Teilnehmer dividiert durch zwei = 5,5, ergibt 6 Zelte. Zwei Pärchen in zwei Zelten bleiben 4 Zelte übrig für 3x2 Männer und e i n e Frau. Ditte soll alleine schlafen und fühlt sich dabei nicht so wohl, also nutze ich die Chance und fragte Wolfgang, ob es für ihn ok ist, wenn ich nicht bei ihm im Zelt schlafe. Für Wolfgang ist das ok, hatt er doch jetzt ein Zelt für sich. Muss ich nur noch Ditte fragen. Ist auch ok – Problem gelöst.
Ein Teil der Mannschaft verschwindet zum Abendbrot, ich mache es mir mit Ditte vor dem Fernseher gemütlich und packe die Sachen für den Ararat.

04.08. 
Der Aufstieg zum Basislager gestaltet sich recht einfach. Bevor es aber zu Fuß los geht, besichtigten wir noch den Isak Pasa Palast. 
Die Anlage ist gut erhalten und man kann in Ruhe alle Räume besichtigen. Sehr beeindruckend ist vor allem der Salon im Zentrum des Harems, aber auch der 35 Meter lange und 20 Meter breite innere Hof (enderun).

In einem kleinen kurdischen Bergdorf wird unser Gepäck auf die Mulis und Pferde geladen, und wir gehen endlich zum Basislager auf gut 3200m Höhe. Der Weg ist recht einfach und nach gut 1000hm und 4 Stunden erreichten wir das Lager. Unterwegs treffen wir immer wieder auf Nomadensiedlungen und Kinder. Diese versuchen uns Süßigkeiten und Creme abzuluchsen, was ihnen natürlich auch gelingt.

Im Lager sind die Zelte schnell verteilt und wir machen es uns gemütlich. Plötzlich ruft Dilek ganz aufgeregt meinen Namen. Ich befürchtet schon schlimmstes, aber sie will mir nur mitteilen – es gibt Kaffee und „fast“ Kuchen, zumindest Kekse. Es ist zum „Running Gag“ geworden, nach einer Wanderung nach Kaffee und Apfelstrudel zu fragen, wie halt in den Alpen üblich.
Die türkische Version mit Tee, Keksen und diversen Knabbereien ist mehr als gut.
Nach dem Abendbrot bleiben wir noch etwas sitzen und trinken Tee, als plötzlich Yusuf mit einem kleinen Jungen ins Zelt kommt. Der Junge, der sich später als Mädchen entpuppt, ist aus Armenien und mit ihrer Familie unterwegs um ebenfalls den Ararat zu besteigen. Sie spricht perfekt Englisch, mag die Simpsons und ich habe eine neue Freundin. Die Mutter und die Brüder kommen etwas später auch in das Zelt und werden von uns bewirtet. Die Mutter ist Amerikanerin und lebt in Armenien, ihre Söhne leben in Chicago und San Francisco. Wir sollten die Familie im Hochlager wiedertreffen. So viel ich gehört habe, haben sie den Gipfel erreicht.
Ditte erweist sich als unkomplizierte Zeltgenossin und so ist die Nacht ruhig und erholsam.

05.08. 
Heute sollen wir uns akklimatisieren, sprich, wieder ohne zu schwitzen auf gut 4200m Höhe aufsteigen. Yusuf, unser Guide, entscheidet sich gegen die Route zum Hochlager und geht mit uns einen einsamen Pfad abseits der Basislager – Hochlager Handelsroute.
Am Nachmittag gibt es nichts zu tun. Da die Temperaturen jenseits der 30 Grad liegen, tut eine kalte Dusche aus dem Wasserschlauch gut. Ich suche mir einen „heißen“ Stein, lese und höre Musik - einfach perfekt. 
Der Berg Ararat, auch Großer Ararat, ist ein ruhender Vulkan im Ararathochland in Ostanatolien nahe der Grenze zu Armenien und dem Iran. Er ist mit 5.137 Metern über dem Meeresspiegel der höchste Berg auf dem Gebiet der Türkei. Der kurdische Name, Çiyayê Agirî, bedeutet „der feurige Berg“ (agir „Feuer“, çiya „Berg“). 
Auch wenn der Ararat heute in der Türkei liegt, ist er das Nationalsymbol der Armenier, die bis 1915 größtenteils in den sechs armenischen Ostprovinzen im Osmanischen Reich ihren Siedlungsraum rund um den Ararat hatten. Er war im Staatswappen der Armenischen SSR und ist auch im Wappen Armeniens abgebildet. Die Türkei protestierte mit dem Hinweis, dass der Berg auf türkischem Territorium liege und deshalb nicht von Armenien oder der Sowjetunion vereinnahmt werden dürfe. Der sowjetische Außenminister Gromyko konterte später mit dem Hinweis, dass im Gegensatz dazu die Türkei den Mond als eine Mondsichel in der Flagge führe, obwohl weder der Mond noch ein Teil davon zur Türkei gehörten.

06.08. 
Ich werde mit Happy Birthday, einem Strauß aus Bergblümchen und Glückwünschen zum Geburtstag geweckt. Zum Frühstück dann die Überraschung, es gibt eine richtige Geburtstagstorte mit Kerzen. Unser türkischer Koch, Dilek und Matthias haben diese in Dogubeyazit gekauft und mit den Pferden hochbringen lassen. Leider hat die Torte das nicht so richtig überlebt. Aber mit türkischem Nutella und viel Einsatz in der Nacht haben sie es geschafft, daraus wieder eine Geburtstagstorte zu machen. 
Nach dem Frühstück geht es dann in das Hochlager auf über 4000m. Der Weg ist voll mit Bergsteigern, Pferden und Mulis. Immer wieder müssen wir den Weg freimachen, um die Pferdetreiber mit ihren Tieren vorbeizulassen. Es ist nicht immer schön mit anzusehen. Einige treiben ihre Tiere mit Peitsche und Steinen an. Es sieht so aus, als ob ein regelrechter Wettbewerb um den schnellsten Aufstieg stattfindet. Wir sind nach gut 4 Stunden oben und stehen im Stau. Jetzt sehe ich auch warum die Treiber es so eilig hatten. Es geht um die besten Plätze im doch recht engen Hochlager. Wir finden einen etwas abgelegenen Platz und bauen unsere Zelte auf. Mir gefällt der Platz gut, auch wenn unser Zelteingang jetzt eher als Balkon zu gebrauchen ist. Es ging doch etwas steiler nach unten. Immerhin ist die Liegefläche „Stein-frei“.

Den Rest des Tages verbringen wir mit den Vorbereitungen für den Aufstieg, der für den nächsten Tag geplant ist. Die Wettervorhersage ist nicht so schlecht und so wird der Start auf 3:00 Uhr angesetzt.

07.08. 
Ein deftiges Frühstück mit Suppe und türkischem Honig soll uns für den Aufstieg stärken. Es geht ein ziemlich ungemütlicher Wind und wir hoffen alle, dass dieser aufhört. 
Langsam geht es bergauf, der Wind lässt aber nicht nach, sondern wird immer schlimmer. Durch den Wind gibt es auch keine Chance Pause zu machen. Sobald man stehen bleibt und sich nicht bewegt, kühlt man aus. Nachdem wir das Schneefeld erreicht und die Steigeisen angelegt haben, wird es noch schlimmer.
Ich habe vergessen meine dicken Handschuhe einzupacken und meine Finger fühlen sich schon taub an. Ich bewege die Finger permanent, um diese irgendwie warm zu bekommen. Juliane kann gut 400hm unterhalb des Gipfels nicht mehr, und bricht ab. Matthias begleitet sie ein Stück zurück und kommt uns nach. Wir erreichen den Gipfel und fallen uns in die Arme. Schnell ein paar Fotos, etwas warmes trinken und Marsch zurück, runter vom Berg. Es ist einfach zu stürmisch, unser Guide schätzt so auf 70 bis 80km pro Stunde.
Elmar, unser Marathon Mann, kann plötzlich nicht mehr. Er wankt von rechts nach links und wieder zurück. Matthias passt auf dass er das Schneefeld heil übersteht. Wieder in felsigem Gelände machen wir erstmals Pause. Ich muss dringend etwas essen und trinken, da beim Aufstieg dazu keine Zeit blieb.
Zusammen mit Matthias begleite ich Elmar zurück bis zum Mannschaftszelt. Ich gehe so langsam und sorgsam wie möglich, Elmar folgt meinen Tritten und Matthias passt auf dass er nicht umkippt. Mit einigen Minuten Verspätung schaffen wir es ohne Verletzungen nach unten.

Wir müssen aber noch weiter runter bis zum Basislager. Nach gut zwei Stunden Pause heißt es, alles wieder einpacken, Zelte zusammenlegen und die Pferde packen.

Zurück im Basislager bleibt nicht viel Zeit bis zum Abendbrot. Kaum steht das Zelt, fängt es auch schon an zu regnen und zu gewittern. Bloß gut, dass wir vom Gipfel runter sind. Ich gönne mir trotzdem eine kalte Dusche und bin froh, nach dem Abendbrot im Zelt und Schlafsack verschwinden zu können. Wir hören noch etwas Musik und schlafen recht schnell ein.

08.08. 
Ich habe vergessen, meinen Wecker auszuschalten. Punkt 1:30 Uhr fängt er an uns zu wecken. So schnell wie möglich mache ich das Ding aus, Ditte ist aber fest der Meinung es sei um 6.00 Uhr und wir müssten aufstehen. Es dauert so seine Zeit bis es klick gemacht hat. Danach ist das weiterschlafen eher schwierig.
Mittlerweile sind wir ein gut eingespieltes Team. Die Sachen sind schnell verpackt, das Zelt abgebaut und es kann losgehen. Während des Abstiegs treffen wir wieder auf einige Kinder, die diesmal reichlich Beute machen. Für einige aus dem Team geht die Reise hier zu Ende, so dass sie ihre Sonnencreme, Schokolade und was sonst noch so übrig ist, verteilen.

Ein Highlight erwartet uns noch, die gestrandete Arche Noah. Gegenüber des Ararats, in einem kleinen Seitental, soll diese liegen. Ich kann nichts erkennen, mir fehlt die Phantasie und die blauen Pillen. Wir hätten aus Georgien etwas von dem selbstgebrannten Wodka mitnehmen sollen. 
Die Aussicht ist aber recht nett und für 10€ pro Person kann man nicht mehr erwarten. Für den Fahrer ein super Geschäft, 10km Umweg, 12Leute ...

Es steht der nächste Abschied vor der Tür. Wir gehen noch zusammen Mittagessen und dann heißt es „Auf Wiedersehen“ zu Ditte und Tim, für die der Urlaub zu Ende ist. Dilek fliegt nach Istanbul, wo sie ein paar Tage bleiben will. Für Roy, Torsten und Schneiders geht es weiter an den Elbrus. Es fließen fast Tränen. Übrig bleiben Wolfgang, Elmar, Matthias und ich. 
Wir gönnen uns noch das inkludierte Abendbrot im Hotel, was in einem Speisesaal für mehrere hundert Personen serviert wird. Nur dass maximal 10 Personen in dem Saal essen. Die Kellner stört das nicht und sie fahren sogar unsere vier Suppen mit einem riesigen Servierwagen durch die Halle. 
Matthias hat unterwegs eine Flasche Wein gekauft, die wir eigentlich auf der Terrasse des Hotels trinken wollten. Bei der Frage nach ein paar Gläsern werden wir dann höflich aufgefordert, den Wein nicht hier im Hotel zu trinken. Der Wein war ja auch nicht aus dem Hotel, ist halt wie überall.
Uns stört das nicht, wir sammeln die Zahnputzbecher ein und verschwinden im Dunkeln auf die Treppe vor dem Restaurant. Unser Koch vom Basislager, der uns noch bis zur Grenze bekleiden wird, organisiert sogar noch 5 Gläser und so ist der Abend gerettet.

Weiter geht es in den Iran...